Brotklappe Weimar
„Save Soil" - „Rettet den Boden"
Was einen Thüringer Bäckermeister mit einem indischen Yogalehrer verbindet
Wer in letzter Zeit das Schaufenster der Brotklappe in Weimar betrachtet hat, der ist eventuell über den Slogan „Save Soil" (zu deutsch „Rettet den Boden") gestolpert. Was verbirgt sich dahinter? Antworten gibt Brotklappen-Gründer, Bäckermeister Sebastian Lück.
Interview: Peter Schütz
Sebastian, wer oder was verbirgt sich hinter „Save Soil"?
Save Soil ist eine unabhängige Initiative, die vom indischen Yoga-Lehrer und Mystiker Sadhguru gegründet wurde. Er hat vor 30 Jahren die Isha-Stiftung gegründet, die sich unter anderem mit Umweltthemen beschäftigt. Für diese Stiftung arbeiten mittlerweile 11 Millionen Freiwillige. Sadhguru steht mit seinem Gesicht für die Aktion Save Soil. Im Moment ist er auf seinem Motorrad durch Europa und Asien unterwegs und fährt 30.000 km durch 24 Länder, um sich mit Politiker:innen und Aktivist:innen zu treffen und zu den Leuten zu sprechen. Er ist nicht der Einzige, der sich mit dem Thema Boden beschäftigt. Es gibt unzählige Studien und Aktionen dazu, die aber bisher zu wenig Veränderung und Umdenken geführt haben.
Kannst Du die Ziele der Aktion näher erläutern?
Da muss ich etwas ausholen. Es gibt eine ganze Reihe von Umweltthemen, über die aktuell sehr viel geredet wird, sowohl in der Politik als auch in den Medien. Dazu zählen Plastik in den Meeren, die Klimaerwärmung, das Abschmelzen der Pole, Ansteigen des Meeresspiegels, CO2 in der Luft, Artensterben. Das ist uns allen ziemlich klar.
Was nicht im Fokus steht: Fast alle diese Themen sind mit dem Mutterboden verknüpft, der unter anderem einer der größten CO2-Speicher ist. Im Idealfall ist er unter Bewuchs, also es gibt genügend Bäume und Pflanzen. Die Böden nehmen CO2 durch die Pflanzen aus der Luft auf und leiten es als Zucker in den Boden weiter, wo dieser als Nahrung für die dortigen Mikroorganismen dient. Diese geben im Gegenzug Nährstoffe an die Pflanzen ab. Dadurch bleibt der Boden lebendig, das Mikroorganismensystem ist gesund und die Pflanzen gedeihen und erhalten Nährstoffe. Das Ganze ist dann so aktiv, dass es gar nicht gedüngt werden muss, weil die Wurzeln der Pflanzen ausreichend versorgt werden. In einer Handvoll gesunder Erde sind mehr Mikroorganismen enthalten, als es Lebewesen auf der Erde gibt. Das ist ein unglaublich reichhaltiges System.
Soweit der Idealfall...
Genau. In der globalen Landwirtschaft und durch andere Industrien wird der Boden und damit das Mikroorganismussystem durch fehlendes Bewusstsein oder wirtschaftliche Interessen Stück für Stück degradiert.
Landwirtschaftliches Feld: Wie lange noch wird dieser Boden fruchtbar sein? © Save Soil
Was bedeutet das?
Das, was wir essen, wird durch den Boden beeinflusst. 86 Prozent unserer Lebensmittel kommen aus dem Boden. Und durch die Degradierung der Böden, also einen sinkenden organischen Anteil, sinkt auch die Qualität und der Nährwert der Lebensmittel. Heute musst du 8 Orangen essen, um den gleichen Nährwert zu erreichen wie vor 50 Jahren mit einer.
Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich das schon schmecke. Wenn ich eine Tomate esse, dann spüre ich, in meiner Kindheit haben die anders geschmeckt. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Und es gibt Studien, die daraus schließen, dass wir in 30 Jahren 40 Prozent weniger Lebensmittel produzieren können, bei einer steigenden Erdbevölkerung. In solch einer Welt wollen wir nicht leben. Das ist ein Fakt, auf den Save Soil hinweisen will.
Logo @ Save Soil
Welche Lösungsmöglichkeiten hat Save Soil im Blick?
Es geht um die Renaturalisierung von Böden, der Verbesserung des Humusgehalts. Dazu braucht es politische Maßnahmen. Wenn du Sand nimmst und bringst zum Beispiel Tier- und Menschendung oder Pflanzenabfälle hinein, dann wird dieser organische Anteil aus dem Sand wieder Stück für Stück fruchtbare Erde machen. Wenn im Gegensatz dazu der Mutterboden gepflügt und bearbeitet wird und offen daliegt, dann gehen Tonnen von CO2 in die Luft zurück. Und die Mikroorganismen im Boden können nicht überleben, weil keine Pflanzen als Versorger mehr da sind.
Ein Mutterboden im Regenwald, der unter Bewuchs ist, hat einen organischen Anteil von 70 Prozent, das ist eine unglaublich reiche Erde. Wenn du in Deutschland in der Landwirtschaft in die Mutterböden schaust, dann haben die je nach Gegend nur 3-6 Prozent organischen Anteil. In der Uckermark, mit viel ärmeren Böden, wird es eher unter 3 Prozent liegen. Im mittleren Westen der USA sind die Böden so stark degradiert, dass sie unter 1 Prozent liegen. Da wird in ein paar Jahrzehnten nichts mehr wachsen, wenn das nicht umgedreht wird.
Das heißt: Ein guter Boden und ausreichend Bäume und Pflanzen führen zu besseren Lebensmitteln, weniger CO2-Anteil in der Atmosphäre und mehr Luftabkühlung. Mehrere Probleme würden damit gleichzeitig gelöst werden.
Wenn das alles so klar ist, warum ist dann in dieser Richtung noch nichts passiert? Sind die Maßnahmen zu teuer oder zu kompliziert?
Es ist nicht kompliziert. Es ist klar, wie das gemacht werden kann, nur noch nicht ausreichend stark im Bewusstsein verankert. Save Soil ist eine Bewegung, die nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die Gegend läuft oder Angst machen will, sondern die sich dem Ziel verschrieben hat, dieses Bewusstsein zu erhöhen. Das macht man, indem man darüber redet. Seit Anfang des Jahres haben sich rund 400.000 neue Freiwillige in der Bewegung zusammengefunden, in Schulen, Universitäten, Presseabteilungen, Unternehmen oder Kultur. Das sind alles Verstärker für diese Nachricht. Es ist ja nicht so, dass die Bodenproblematik in den Regierungen nicht bekannt ist, aber es hat scheinbar nicht die ausreichende Wichtigkeit. Der Impuls muss aus einer breiten Bewegung kommen, nur dann spürt die Politik auch einen gewissen Handlungsdruck.
In den letzten zwei Jahren hat Save Soil in 192 Ländern individuell abgestimmte Empfehlungen an die jeweiligen Regierungen herangetragen. Ziele darin sind, dass das Land wieder unter Bewuchs zu bringen ist, damit der organische Anteil steigt.
Wir werden nicht von heute auf morgen auf Pestizide und ähnliches verzichten können. Aber wenn wir verstehen, wie die Erde behandelt werden muss, dann wird das nach und nach weniger notwendig sein.
Wieviel Zeit bleibt uns noch, um tatsächlich etwas zu tun?
Die Aufbereitung der Humusschicht ist langwierig. Doch es ist wichtig zu wissen, dass das jetzt noch in wenigen Jahren möglich ist. In den nächsten fünf bis acht Jahren haben wir die Gelegenheit, das umzudrehen. Doch wenn wir noch zehn bis zwanzig Jahre warten, dann dauert die Erholung der Böden eher hundert Jahre und mehr.
Was hat sich politisch schon getan?
Sadghuru hat schon vor mehr als 20 Jahren begonnen, auf das Problem hinzuweisen. Jetzt ist die Zeit, das Problem anzugehen, weil nun die Möglichkeit besteht, diese Reichweite zu erzielen und weil jetzt auch die Bereitschaft in einigen Regierungen da ist. In Deutschland ist das schon einigermaßen gut vorgedacht. Es gibt von der Bundesregierung bereits Programme, die diese Entwicklungen vorsehen. Aber in anderen Ländern sieht es anders aus, und wir können nicht sagen, es ist uns egal, was dort passiert, denn die eine Milliarde Menschen, die nichts zu essen haben, die kommen dann dahin, wo es etwas zu essen gibt… Man muss das Ganze also weltweit angehen.
Sebastian Lück betreibt gemeinsam mit seiner Ehefrau Annika die Brotklappe in Weimar. © Brotklappe
Du bist im Januar Mitglied dieser Bewegung geworden. Wie sieht das praktisch aus? Was ist deine Aufgabe dort?
Als Freiwilliger mache ich dort, was an mich herangetragen wird. Hauptsächlich bin ich gerade Koordinator zwischen den drei Gruppen Schulen, Universitäten und Unternehmen.
Wie bist du auf das Projekt gestoßen?
Ich habe im Juli letzten Jahres damit begonnen, mich mit Sadhguru und der Isha Foundation zu beschäftigen. Das wurde mir von jemandem angetragen, den ich sehr schätze. Ich habe dann einige Online-Kurse dort gemacht und sehr viel bekommen, Sachen, die mich leichter, fröhlicher und auch leistungsfähiger gemacht haben. In diesen Kursen ging es zunächst um Yoga, Ernährung und intellektuellen Input. All diese Sachen kosteten nichts oder sehr wenig und in mir hat sich der Wunsch entwickelt, etwas zurückgeben zu wollen. Zum anderen habe ich verstanden, dass das ehrenamtliche, freiwillige Arbeiten auch eine spirituelle Übung ist. Nur ein kleines Rädchen in einer größeren Bewegung zu sein, ist eine phänomenale Erfahrung. Das bereichert mich in meiner Arbeit.
Was hast du als erstes getan?
Ich habe mich als Freiwilliger bei der Isha Foundation beworben. Zunächst ohne konkretes Ziel. Ich wollte einfach etwas tun. Damals hatte ich das alles noch nicht verstanden und in Richtung Foundation kam ich zunächst auch nicht weiter. Doch dann bin ich über Interviews und Podcasts auf Save Soil gestoßen. Danach habe ich mich dort beworben. Und Anfang Januar kam ein Anruf von der Koordinierungsstelle in Indien. Ich habe gesagt, ich mache alles, was anliegt, Koordination, Social Media etc. Im Moment bekomme ich Anrufe von irgendjemandem von irgendwoher mit einem Anliegen, und ich schaue, wie er oder sie das zum Laufen bringt. Das ist eher eine strategische Tätigkeit, da ich ganz gut weiß, wie man Leute miteinander verbindet.
Kannst du ein konkretes Beispiel nennen?
Zum Beispiel wurde ich gerade angeschrieben von einer Frau aus Frankreich, die schon für Hilfsorganisationen gearbeitet hat, und die gerne die Mitarbeiter:innen in ihrer Firma für Save Soil begeistern würde. Sie weiß allerdings noch nicht, wie sie das machen soll. Dann berate ich sie mit meinen Ideen und Erfahrungen und baue Kontakte vor Ort auf.
Dann haben wir jetzt einen Save Soil Post auf die Webseite des Bundesministeriums für Bildung gebracht, eine Motivation für Kinder und Jugendliche, sich der Bewegung anzuschließen. Das hat eine Lehrerin aus Hamburg initiiert, die ich dabei unterstützt habe. Wir haben auch eine Webseite erstellt, auf der Kinder ihre Bilder und Texte zum Thema hochladen können. Im Moment habe ich Kontakt zu der Firma Weleda, die eine Kampagne unter dem Titel „Save the skin of the earth" gestartet haben. Wir überlegen nun, wie wir Aktionen gemeinsam machen können, da das Ziel ja das gleiche ist.
Das alles ist aber nur die Vorbereitung für das, was dann in den nächsten 5-8 Jahren passieren muss. So lange ist noch Zeit, um schnelle Ergebnisse bei der Renaturalisierung von Böden zu erzielen.
Was ist das Ziel von Save Soil in den nächsten Monaten?
Wir haben uns vorgenommen, in den nächsten Monaten 3,8 Milliarden Menschen weltweit in Kontakt mit diesem Thema zu bringen über unterschiedlichste Kanäle. Dafür braucht Save Soil eine Million Freiwillige. Und darüber hinaus auch eine Sensibilisierung der Regierungen für das Thema. Es geht nicht darum, jemanden auszuschließen, sondern um eine kleine Kurskorrektur, um mit der eingeschlagenen Richtung die Wende in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren zu schaffen. Die Renaturalisierung des Bodens inkludiert den Klimaschutz, die CO2-Bilanz, weniger Überschwemmungen und Dürren oder den Artenschutz. Man bearbeitet also viele Problemfelder gleichzeitig. Und es ist so leicht, es ist unter unseren Füßen. Wir müssen es nur ins dauerhafte Bewusstsein bekommen, dass es hier um unsere Lebensgrundlage geht.
Wie kann ich mich engagieren, wenn ich jetzt Lust auf das Projekt bekommen, aber noch keine Ahnung habe, wie ich das bewerkstelligen soll?
Man kann sich auf Social Media vernetzen und Nachrichten teilen und retweeten. Das hilft schon ungemein. Der Hauptteil der Aufmerksamkeit wird darüber generiert.
Wer mehr wissen will, geht auf die Save Soil Webseite, informiert sich dort, registriert sich. Man kann Unterstützer werden, hat Zugang zu Workshops und Kontakten vor Ort. Für jeden, der sich engagieren möchte, denken wir uns etwas aus.
Dieser Text wurde zur Verfügung gestellt von Uta Pleißner