Bürgermolkerei
Weimarer Bio-Milch-Projekt
Ein Beitrag von Uta Pleißner
Im März 2020 wagte der Landwirtschaftsbetrieb Landgut Weimar eG (1700 ha) mit Sitz in Weimar-Holzdorf einen ersten Schritt in Richtung Ökolandbau: Zunächst stellte der Betrieb seine komplette Tierhaltung um mit 150 Milchkühen sowie der nötigen Futterausstattung auf 235 ha Acker und Grünland. Es entstand die nun dynamisch wachsende Landgut Weimar Bio GmbH mit neuen Betriebszweigen wie Hofmolkerei, Direktvermarktung und mobilem Legehennenstall.
Umstellung auf Bio
Grund für die Umstellung: Der Wandel in der Gesellschaft in Richtung bio-regional und die seit langem angespannte wirtschaftliche Bilanz des Milchviehstalls. Mit der Umstellung auf Bio wurde kein plötzlicher Gewinn erwartet, jedoch sollte der Verlust auf ein annehmbares Maß schrumpfen.
Im Oktober 2020 konnte bereits ein Milchliefervertrag mit der HERZGUT Landmolkerei eG in Rudolstadt unterzeichnet werden, der damals einzigen Molkerei in Thüringen, die auch Bio-Milch verarbeitete. Bis zur Bio-Anerkennung wollte HERZGUT die Weimarer Milch (mehr als 1 Mio Liter pro Jahr) als Weidemilch abnehmen. Der erste Weidegang erfolgte im Frühjahr 2021 auf den stallnahen Grünlandflächen.
Vision von einer eigenen Molkerei
Ebenfalls im Jahr 2020 hatte Sebastian Lück, Mitinhaber der Weimarer Bio-Handwerksbäckerei Brotklappe, eine visionäre Idee geäußert: den Aufbau einer zukunftsfähigen Wertschöpfungskette mit dem Ziel, hochwertige Milchprodukte herzustellen und zu vermarkten, welche die Bemühungen um Erzeugung einer hochwertigen Bio-Rohmilch im Schoppendorfer Stall unter Erfüllung höchster Standards bezüglich u.a. Tierwohl, Nachhaltigkeit, Transparenz für Verbraucher und Produktqualität finanziell tragen. Kern dieses Gedankens war der Bau einer eigenen Molkerei, so dass von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zum Verkauf alle Schritte in und um Weimar erfolgen konnten. Innerhalb weniger Wochen war mit Hilfe des Gäa e.V. Vereinigung ökologischer Landbau eine Projektidee entworfen und ein Förderantrag an die Thüringer Aufbaubank gestellt worden. Dieser wurde bewilligt.
Tag der offenen Stalltür April 2023 © Anne Wetzel/Projekt Bio-Milch … kann mehr!
Käseherstellung & Co
Während in den folgenden Monaten nicht reibungslos und dennoch stetig die Entwicklung im und am Stall in Schoppendorf voranging – der Thüringer Tierwohlpreis 2021 war eine schöne Bestätigung für GmbH-Geschäftsführerin Sylvia Gengelbach und ihr Team - gestaltete sich in Weimar die Suche nach einem Standort für zunächst eine kleine Testkäserei schwierig. Schließlich wurde Mitte 2021 ein ehemaliges Café gefunden, dessen Küche sich mit wenig Aufwand zur Mini-Molkerei umbauen ließ. Hier entwickelte der Produktionsleiter der Brotklappe, Ture Knoblauch, nun erste Milchprodukte wie Joghurt, Frischkäse und Butter. Als Vorbild diente ihm der Ansatz von Käse-Experte David Ascher: „Die Kunst der natürlichen Käseherstellung - mit traditionellen, nichtindustriellen Methoden und rohen Zutaten für die Erzeugung der besten Käse der Welt“.
Als zweiter Käser brachte Kevin Skarplik seine Erfahrungen von verschiedenen Almen aus Deutschland und der Schweiz ein. Die Zusammenarbeit mit dem Verband für handwerkliche Milchverarbeitung e.V. (VHM) begann.
Auf dem Weg zur Genossenschaft
Dann, Ende 2021, der Rückschlag für den Stall: die HERZGUT Molkerei meldete Insolvenz an. Die junge GmbH musste sich schnellstens um einen neuen Abnehmer für ihre Milch kümmern. Bis heute wird die Milch seitdem nach Jessen im östlichen Sachsen-Anhalt zur Verarbeitung gefahren.
Im Jahr 2022 wurde mit Hilfe eines Architekturbüros intensiv an Planungsvarianten für den Molkerei-Neubau gearbeitet. Es gab Besprechungen mit Ämtern und die Idee, die künftige Molkerei als Genossenschaft zu betreiben. Bestärkt durch die Thüringer Aufbaubank stellte das Team den Antrag auf Projektverlängerung, was bewilligt wurde. Nun wurden Fachplaner konsultiert: für den Molkereibetrieb, für Energie, für Technik.
Die ab Anfang 2023 hinzu gezogene Molkereifachberaterin Sibylle Roth-Marwedel sortiert und bringt Klarheit in viele Themen. Dann wird die Testkäserei zu klein, die Produktionsmenge kann nicht mehr gesteigert werden. Die Suche nach einer Zwischenlösung ist langwierig. Um die Machbarkeit einer Container-Variante zu prüfen, nimmt das Team Kontakt zu mehreren Herstellern auf und besucht verschiedene Hofkäsereien in Baden-Württemberg.
Alte Feuerwache Weimar © Henry Sowinski
Neuer Standort
Im Frühsommer 2023 entsteht Kontakt zu dem im Bau befindlichen Quartiersprojekt Alte Feuerwache Weimar (AFWW). Hier ist noch Gewerbefläche frei, beide Seiten sind sehr interessiert. Es beginnt eine intensive Planungsphase, nun mit den Architekten und Technikern der AFWW. Parallel wird in der Testkäserei weiter intensiv am Hygienekonzept gefeilt, um die Verkaufszulassung für die Weimarer Milchprodukte zu erhalten.
Mit Stand September 2023 sieht es so aus, als sei der Standort für die künftige Bürgermolkerei Weimar gefunden. Oder tauchen neue Hindernisse auf?
Titelfoto © Landgut Weimar Bio GmbH
Weitere Infos:
www.bio-milch-kann-mehr.de
www.biolandgut-weimar.de
www.gaea.de
www.brotklappe.de
www.aufbaubank.de
www.feuerwache-weimar.de