Gut Kirschenessen
Regional einkaufen, nachhaltig einkaufen
Kirschen aus dem Unstruttal, Honig aus dem Thüringer Wald, Blumensträuße aus heimischen Gartenbetrieben, Tomaten aus dem Erfurter Becken, Schafskäse aus Ostthüringen, Bier von hier und und und. Wir haben alles Gute und Schöne, das wir zum Leben brauchen oder das unser Leben wirklich bereichert, direkt vor unseren Haustüren. Leider sind Großhandel und Discounter davon zumeist unbeeindruckt. Deswegen wissen viele Verbraucher:innen auch nicht, was in Thüringen erzeugt oder hergestellt wird. Okay, einige besuchen regelmäßig Hofläden oder Wochenmärkte oder Werksverkäufe. Aber die Meisten kaufen im Supermarkt ein und meistens billige Waren mit nichtnachhaltiger oder gar fragwürdiger Herkunft. Ein Beispiel: Honig aus dem Supermarktregal. Das Pfund für 2,99 Euro. Wie geht das? Noch dazu wenn darauf zu lesen ist, dass der Honig aus nichteuropäischen Ländern stammt? Transportkosten? Ordentliche Bezahlung der Imker? Wer kann davon leben? Wie geht es da den Bienen?
© Uta Kolano
Das Regionalbündnis
Die Verbraucher:innen zu sensibilisieren, regional, nachhaltig und gesund zu kaufen – das ist der Anspruch des Regionalbündnisses Thüringen, das sich im vergangenen Jahr als Verein gegründet hat. Die Enthusiast:innen um Anne Häßelbarth und Kristin Behlert kümmern sich darum, dass die regionalen Kreisläufe gestärkt werden. Das bedeutet nämlich gleichzeitig, Wertschöpfung direkt hier in Thüringen zu schaffen und ebenso faire Bezahlungen für die Erzeuger:innen zu garantieren. Und damit zu zeigen, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaft keine Gegensätze sind (wie oft behauptet wird). Und es bedeutet auch, sich unabhängig zu machen vom heißlaufenden globalisierten Weltmarkt.
Der selbstformulierte Anspruch des Regionalbündnisses lautet: „Alle teilnehmenden Marken und deren Markenrichtlinien werden durch gemeinsame Kernwerte zu einer starken Markenfamilie. Diese Kernwerte bilden den Werterahmen, der als Basis für alle teilnehmenden Produkte gilt:
*Regional
*Authentisch
*Handwerklich
*Verantwortungsbewusst
*Gemeinschaftlich.“
© Regionalbündnis Thüringen
Thüringer Regional Regal
Das ist ein ganzheitlicher Ansatz. Natürlich wird dazu auch der Handel als starker Partner gebraucht. Deswegen hat das Bündnis zum Beispiel das sogenannte Thüringer Regional Regal geschaffen. Das Regal ist als Handlungskonzept gemeint. Darüber hinaus aber haben die ersten Läden ein solches Regal ganz in Echt aufgestellt. Von Anfang an mit dabei ist beispielsweise die Bäckerei Bergmann aus Frömmstedt (Kurzfilm auf Vimeo). Der Familienbetrieb hat in zwei seiner Filialen bereits ein Regional Regal zu stehen. Neu mit im Bunde ist ein Laden in Altenburg, der sich „Kleine Kaufhalle“ nennt. Und nicht weit davon entfernt, im Altenburger Land, in Untschen, hat im letzten Monat der Regionalwarenladen „FairBiss“ eröffnet, der von LEADER gefördert wurde. FairBiss bietet verschiedene Produkte von kleineren regionalen Betrieben an, wie z.B. Walnüsse, regionales Eis und Eier, aber auch eigenes Bio-Fleisch aus der Landschaftspflege. Landschaftspflege?
1. Regional Regal der Bäckerei Bergmann © Regionalbündnis Thüringen
Weidewonne & Co.
FairBiss – dahinter steckt Familie Kießhauer. Sie pflegt mit ihren Schafen, Ziegen und auch Pferden verschiedene Flächen (Streuobstwiesen, Bergbaufolgelandschaften, Heide) im Altenburger Land. Ohne die frei grasenden Tiere würden diese ureigenen ostthüringer Landschaften zuwuchern. So gehen Landschaftspflege, Tierwohl (und artgerechte Haltung) sowie die Erzeugung von biozertifizierten Nahrungsmitteln Hand in Hand. Das Regionalbündnis Thüringen unterstützt mit Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit.
Ähnlich ist es mit „Weidewonne“. Aus dem Selbstverständnis: „Weidewonne ist eine Marke des Thüringer Umweltministeriums, die von der Naturstiftung David betreut wird. Sie steht für hochwertige Lammfleischprodukte aus Thüringen verbunden mit naturnaher Landschaftspflege durch Beweidung. Ziel von Weidewonne ist es, die Thüringer Schäfereibetriebe, die einen wichtigen Beitrag für den Naturschutz leisten, zu unterstützen. Denn: Der Naturschutz braucht Schafe und Ziegen für den Erhalt vieler wertvoller Flächen unserer Kulturlandschaft! Ohne Beweidung wachsen diese Flächen zu und der Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten, wie Wildbiene oder Frühlings-Adonisröschen, verschwindet. Doch aufgrund der schlechten ökonomischen Situation geben immer mehr Schäfereien auf. Der Bestand der Mutterschafe hat sich seit 1990 halbiert, Tendenz weiter fallend. Gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern möchten wir unter dem Label Weidewonne diesen Trend umkehren“ (aus dem Facebook-Eintrag von Weidewonne).
Weideidyll in Untschen © FairBiss/ Familie Kießhauer
Trend zum Regionalen
Wenn die Corona-Pandemie ein was Gutes hatte, so die Rückbesinnung so manches Konsumenten auf die Dinge, die hier bei uns wachsen oder produziert werden und die nicht, wie das Corona-Virus um die ganze Welt wandern. Corona hat ihn gesetzt (oder verstärkt?) – den Trend zu mehr Regionalität im Angebot, aber auch in den Einkaufskörben. Die Wochenmärkte werden gut besucht und hier und da nehmen sich kleine Läden ausschließlich der Vermarktung nachhaltig erzeugter, regionaler Waren an.
So z.B. auch der „Grüne Günther“ in Arnstadt, der 2019 auf dem Wochenmarkt startete und schon ein Jahr später einen Laden in der Fußgängerzone eröffnen konnte. Marcus Günther war fast 20 Jahre im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel tätig und wollte das nicht mehr. Er wollte den direkten Kontakt zu regionalen und nachhaltigen Erzeuger:innen. Er wollte die Vielfalt der heimischen Produkte zeigen, erhalten und vielleicht auch erhöhen. Heute betreibt er einen weiteren Regionalwarenladen im Arnstädter Gewerbegebiet. In den beiden Geschäften gibt es neben Kirschen aus Erfurt-Marbach oder Gurken aus Dittelstedt auch Holunderblütengelee aus Tiefengruben, Goldhelm-Schokolade aus Wülfershausen oder Biomilch und -joghurt von der Herzgut-Molkerei Rudolstadt.
Nachhaltig erzeugte Regionalwaren in Arnstadt © Grüner Günther
Ein weiteres gutes Beispiel ist das Studierendenwerk Thüringen. Hier werden schon seit Langem regional erzeugte Lebensmittel in den Mensen und Cafeterien angeboten. Denn hier prüfen die Student:innen nicht erst seit den Fridays genau die Provenienz der angebotenen Speisen und Getränke. Außerdem gibt es z.B. Getränke in Glas- und nicht PET-Flaschen. Und zwar auch Getränke regionaler Hersteller wie Thüringer Waldquell. Übrigens: Meist ist den Studierenden „regional“ wichtiger als „bio“. Denn warum muss Bio-Blumenkohl aus Marokko angekarrt werden, wenn dieses Gemüse in Thüringen wächst? Klar, wichtig ist den Studierenden natürlich auch, dass der Kohl (und vor allem die Umwelt) nicht mit Pestiziden vollgesprüht werden. So gilt es immer wieder auf’s Neue, Vor- und Nachteile abzuwägen. Nachhaltigkeit – wir wissen, wovon wir reden - ist durchaus komplex.
Apropos „bio“. Viele regionale Lebensmittel tragen kein Bio-Siegel, weil das den Erzeugern meist zu teuer und zu bürokratisch-aufwändig ist. Deswegen achtet das Regionalbündnis Thüringen auch darauf, dass es bei Anbau, Verarbeitung und Transport in jedem Fall nachhaltig zugeht (siehe o.g. Kernwerte). Fleisch aus Massentierhaltung in Thüringen ist in diesem Sinne kein gutes Fleisch.
Thüringer Bio-Wurst im Kühlregal beim Grünen Günther in Arnstadt © Grüner Günther
Transport
Ganz wesentlich für das Regionalbündnis ist eine weitere zentrale Nachhaltigkeitsfrage, nämlich die Logistik. Im Grunde ist es doch leicht zu verstehen: wenn wir Honig und Blumen und Tomaten und Bier von hier kaufen, spart das Flugzeugflüge oder Riesenschifftransporte über weite Strecken, spart das Kraftstoff, Manpower und CO2. Und was gibt es außerdem Schöneres, als durch unsere vielfältigen Landschaften zu fahren?! Für die Vernetzung und den Transport der Regionalwaren konnten die Regionalverbündeten bereits einen Logistik-Betrieb gewinnen, nämlich den Familienbetrieb Teichmann Transporte e.K. Hier tüftelt die jüngere Generation gerade intensiv an einem nachhaltigen Regionallogistikkonzept. Neben E-Mobilität und dem Ausbau des Ladenetzes für den eigenen Betrieb enthält das Konzept auch einen Umschlagplatz für die Waren des Thüringer Regional Regals inklusive der Möglichkeit nachhaltiger Verpackungslösungen für Produkte, die unverpackt angeliefert werden. Und ganz offiziell guckt man in dieser Sache auch ein wenig von anderen, ähnlichen Initiativen in anderen Bundesländern ab, z.B. von Meck Schweizer.
Das Regionalbündnis schreitet mit vielen Ideen und neuen Partner:innen fröhlich voran. Wir alle können teilhaben – an nachhaltig guten, schönen und fair gehandelten Produkten von hier.
thueringenregional.de
facebook.com/rbthue
Fotowettbewerb Weidewonne: „Scha(r)f auf Landschaft“ bis 29.08.2021
Regionalbündnis im t.akt-Magazin
Die Reihe „Kurz mal die Welt retten...“ im t.akt-Magazin bietet seit März 2021 Interviews und Berichte zu Themen, Inhalten und Aktivitäten der nachhaltigen Entwicklung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Thüringen.
In der Juli-Ausgabe wird auf Seite 11 unter dem Titel "Bier von hier" über das Regionalbündnis Thüringen berichtet.
Zum Artikel: www.takt-magazin.de oder Download
(Mediengruppe Thüringen Verlag GmbH)