Innenstadtentwicklung & alternative Wohnformen
Rückschau
Das Nachhaltigkeitszentrum Thüringen lud im Mai zu seinem 1. Zukunftsforum im Jahr 2024 in die ostthüringische Kleinstadt Stadtroda.
Die knapp 60 Gäste widmeten sich im Schulungsraum der Feuerwehr den Potenzialen und Erfolgsfaktoren der Innenstadtentwicklung, alternativer Wohnformen und Generationengerechtigkeit sowie des nachhaltigen Bauens und Sanierens.
- Wie können gute Wohn- und Lebensbedingungen für Senior:innen geschaffen werden?
- Wie kann ein aktives Miteinander von jungen und alten Menschen gestaltet und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden?
- Wie lässt sich die Innenstadt lebendig halten?
- Und wie können Wohngebäude saniert und dabei Energiekosten gesenkt und Erneuerbare Energien zum Einsatz gebracht werden?
Diese Fragen beschäftigen die meisten ländlichen Städte und Gemeinden in Thüringen, denn eine zunehmend älter werdende Bevölkerung bei gleichzeitig weniger Einwohner:innen ist ein zentrales Thema.
Impulse
Nach einer Begrüßung durch den Bürgermeister Klaus Hempel konnten die Teilnehmer:innen in einer Murmelrunde ihr besonderes Interesse zum Thema bekunden sowie Erwartungen mitteilen.
Zum Einstieg stellte Dr. Sebastian Köllner von der Serviceagentur Demografischer Wandel (SADW) Daten und Trends zur Bevölkerungs- und Geburtenentwicklung in Thüringen vor. Sein Fazit: wir werden weniger und älter - mit regional deutlichen Unterschieden. Thüringen ist auf Zuwanderung angewiesen und muss sich entsprechend aufstellen und sollte dabei auf die Erhöhung der Attraktivität der ländlichen Regionen Wert legen.
Claudia Thieß vom Bauamt der Stadt Stadtroda skizzierte, wie die Stadtverwaltung, kommunale Unternehmen, Schulen, Vereine wie das Bildungswerk BLITZ e.V. und die Freiwilligenagentur Saale-Holzland-Kreis sowie engagierte Menschen u.a. im Seniorenbeirat für eine lebenswerte Zukunft Stadtrodas zusammenwirken.
Die Stadt Stadtroda ist "Global Nachhaltige Kommune", auf dieser Grundlage wurde eine Nachhaltigskeitsstrategie entwickelt und für deren Umsetzung ein Handlungsprogramm verabschiedet. Unter dem Motto „Kleine Städte. Große Vielfalt. Gute Zukunft.“ war Stadtroda eines der sechs Modellvorhaben der Pilotphase Kleinstadtakademie. Mithilfe von Beteiligungsangeboten wurden kreative Nutzungsformen gefunden z.B. ein Stadtrundgang durch Stadtrodas Innenstadt durchgeführt. Zur Belebung der Innenstadt diente im letzten Jahr ein OpenAir Sommer-Kino in der Klosterruine. Aktuell gibt es zahlreiche Aktivitäten & Ideen zur Nutzung eines Ladenlokals zur Vermeidung von Leerstand.
Cornelia Gießler vom Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) widmete sich der Finanzierung des klimaneutralen Umbaus eines Mehrfamilienhauses in Stadtroda als Hintergrund zur Exkursion am Nachmittag. Die Förderung durch das Land mit 2,4 Millionen Euro entstammt der "Thüringer Wärmeenergieoffensive" (seit 2021) zur Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestandes gemäß § 9 Thüringer Klimagesetz. Der investiven Förderung ging eine Projektstudie voraus. Das Modellprojekt demonstriere, wie DDR-Plattenbauten energieeffizient saniert werden können. Kern des Projekts ist ein neuartiger Wärmetauscher, der die Wärmeenergie aus Badewannen, Spül- oder Waschmaschinen über die Heizung in die Wohnung zurückbringe. Die Umbaukosten pro Wohnung betrugen ca. 20.000 €. Auf die Höhe der Warmmieten hat die Sanierung keine Auswirkungen.
Frank Baumgarten blickte kritisch auf die Lastenverteilung im ländlichen Raum und präsentierte Ideen & Gegenentwürfe zu „Landsterben“ und Altersarmut. Die „Stiftung Landleben“ in Kirchheilingen widmet sich in der Region Seltenrain der Entwicklung eines Gesundheits-, Pflege-und Versorgungsnetzwerkes im Rahmen der Integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) . Von der Stiftung Landleben wird das Projekt "AGATHE im Unstrut-Hainich-Kreis" umgesetzt. Im Programm AGATHE beraten Fachkräfte ältere Menschen, die einsam werden könnten oder schon einsam sind. Barrierefreie Wohnhäuser / Bungalows wurden in den Gemeinden Blankenburg, Kirchheilingen und Sundhausen gebaut für ein altersgerechtes Wohnen mit niedrigen Nebenkosten. Gesundheitskioske sind Anlaufstelle vor Ort zu gesundheitlichen und sozialen Belangen. Der Verein "Landengel" bietet einen Fahrdienst im Stiftungsgebiet an. Eine Dorfkümmerin koordiniert die Fahrten.
Guido Pusch von der Stiftung Pusch - Pflegebauernhof stellte daran anknüpfend das Konzept "Pflegebauernhof" vor. In Marienrachdorf wohnen Senior:innen in Wohngemeinschaften unter dem Motto „Natürlich Leben auf dem Bauernhof“. Durch den Kontakt mit vielen Tieren und dem gemeinsamen Alltag mit sinnstiftenden Tätigkeiten werden kommunikative Fähigkeiten und das Wohlbefinden der Bewohner:innen gestärkt. Ermöglicht wird eine Versorgung bis zum Lebensende.
Austauschbörse an Thementischen
An Thementischen standen die Fachleute zum Gespräch zur Verfügung. Vertieft wurden an Tisch 1 Fragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem aktiven Miteinander von jungen und alten Menschen. Tisch 2 widmete sich den Beteiligungsformaten, die ein Engagement vor Ort fördern, und dem Altern in Würde. Am Thementisch 3 zeigte Claudia Schneider vom Thüringer Ökoherz e.V., welche Möglichkeiten die Soziale Landwirtschaft hat, um älteren Menschen alternative Wohn-, Therapie- oder Freizeitgestaltungsoptionen anzubieten.
Exkursion "Alles unter einem Dach"
Nach der Mittagspause führte uns der Weg zum „DRK-Marktquartier“ im Herzen von Stadtroda. Das neue Quartier bietet den Seniorinnen und Senioren aus Stadtroda und Umgebung Pflege- und Betreuungsleistungen sowie vielfältige Wohnformen vereint unter einem Dach. Auf vier Etagen befinden sind eine Tagespflegeeinrichtung, eine ambulant betreute Senioren-Wohngemeinschaft, eine Vielzahl an altersgerechten Wohnungen für Betreutes Wohnen sowie eine Seniorenbegegnungsstätte. Ralf Schmidt vom DRK-Kreisverband Jena-Eisenberg-Stadtroda e.V. gab Einblicke in die Baugeschichte und die derzeitige Nutzung des Komplexes.
Im Anschluss besichtigten wir den sanierten DDR-Typenplattenbau mit Wärmerückgewinnung und Grauwassernutzung. Ralph Grillitsch von der Stadtrodaer Wohnungsbaugesellschaft m.b.H. erklärte am Wohngebäude mit 144 Wohnungen u.a. die Lüftungsanlage und Balkonverglasungen. Der Nachweis der Klimaneutralität erfolgt mittels Monitoring der Energieerzeugung und -verbräuche über einen Zeitraum von 15 Jahren.
Wir danken den Referent:innen sowie der Stadt Stadtroda für die angenehme Zusammenarbeit.
Downloads
Vortrag SADW
Vortrag Stiftung Landleben
Vortrag Stiftung Pusch - Pflegebauernhof
Weitere Infos und Bildergalerie: Fachforen