Fortschreibung der Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie
Unser Nachhaltigkeitsforum 2024
Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) und der Thüringer Nachhaltigkeitsbeirat (TNB) luden am 30. Oktober zum Thüringer Nachhaltigkeitsforum 2024 in das Augustinerkloster nach Erfurt ein. Das Netzwerktreffen versammelte rund 150 Aktive aus Kommunen, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen aus ganz Thüringen.
„Zukunft in Thüringen nachhaltig gestalten - Auftakt des Dialogs zur Fortschreibung der Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie“
Im Mittelpunkt der ganztägigen Veranstaltung stand die Frage, wie sich die Zukunft in Thüringen im Kleinen wie im Großen nachhaltig gestalten lässt. Welche Probleme stehen an, welche guten Beispiele für Lösungen gibt es, welche Ideen können vorangetrieben und wie umgesetzt werden?
Die Ergebnisse des Forums werden in die neue Nachhaltigkeitsstrategie für den Freistaat einfließen.
Grußworte
Eröffnet wurde die Tagung durch den geschäftsführenden Thüringer Umweltminister Bernhard Stengele gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Gather vom Thüringer Nachhaltigkeitsbeirat.
Umweltminister Stengele erklärte: „Ich danke allen Akteuren, die sich auch jenseits der Politik für Nachhaltigkeit in Thüringen stark machen. Auch wenn wir bei der Umsetzung unserer eigenen Nachhaltigkeitsziele noch nicht dort sind, wo wir hinwollen, haben wir in Thüringen in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht. Es bleibt noch viel zu tun bei der Umsetzung unserer Ziele. Für den Klimaschutz brauchen wir mehr erneuerbare Energien, für den Artenschutz weniger Umweltbelastungen, für mehr sozialen Zusammenhalt auch mehr Förderung der Chancengleichheit. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen von 2015 bleiben dabei unser Leitbild.“
Impulsvorträge
Im ersten Teil des Forums wurde eine kurze Bilanz gezogen zur Umsetzung der bisherigen Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie. Der Prozess zur Fortschreibung der Strategie und dessen Status Quo wurden dargelegt und ein Blick in die Zukunft auf regionaler und überregionaler Ebene geworfen.
• Blick in die Vergangenheit und Stand heute - Prof. Dr. Matthias Gather (Thüringer Nachhaltigkeitsbeirat)
Prof. Gather eröffnete seinen Impuls mit einer Vorstellung der aktuellen Zusammensetzung des TNB mit seinen 14 Mitgliedern in der 4. Berufungsperiode (seit 01.07.2020) und skizzierte die Wege zur Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie. Im Mai 2024 ist der 4. Indikatorenbericht „Nachhaltige Entwicklung in Thüringen“ der Landesregierung erschienen, der die Entwicklung bis zum Jahr 2022 wiedergibt. Um die Entwicklung in den Zielbereichen zu messen, nutzt der Bericht 33 Hauptindikatoren. Den Teilnehmer:innen wurden wesentlichen Punkte der nach Themenfeldern gegliederten Stellungnahme des TNB zum Bericht nähergebracht - insbesondere die immensen Herausforderungen bzw. die Schwachpunkte für eine nachhaltige Entwicklung in Thüringen: „Thüringen bietet in seiner kleinteiligen, historisch gewachsenen Struktur beste Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung, aber es bleibt noch viel zu tun: Klimaschutz und der Ausbau erneuerbarer Energien, Schutz und Wiederherstellung der Artenvielfalt, Umbau der geschädigten Wälder und die stockende Verkehrswende, aber eben auch die umfassende Pflege und Weiterentwicklung der reichen Kulturlandschaft unseres Bundeslandes sind die größten Herausforderungen, die nur in einer gemeinsamen Anstrengung von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gelöst werden können.“ Daran anknüpfend skizzierte Gather ein Leitbild und die Zielsetzung für 2035.
• Blick in die Zukunft aus übergeordneter Sicht - Jens Martens (Global Policy Forum Europe)
Halbzeitbilanz und Perspektiven der Agenda 2030
Die Agenda 2030 befindet sich in der Polykrise, das heißt: „Kaskadenartige und miteinander verknüpfte Krisen gefährden […] das Überleben der Menschheit.“ Wie steht es demnach um die Umsetzung der 17 Globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG) weltweit? Zu verzeichnen sind überwiegend marginale Fortschritte. Für einen Paradigmenwechsel braucht es ein Bewusstsein für Zusammenhänge, eine Bildung für nachhaltige Entwicklung!
Auch Deutschland ist nicht auf dem richtigen Weg: dies verdeutlichte Martens mit Blick auf die sogenannten Off-Track-Indikatoren der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Das sind Bereiche, wo Deutschland die gesetzten Ziele deutlich verfehlen könnte oder sich sogar in die falsche Richtung bewegt. Positiv hervorgehoben wurden der UN-Zukunftsgipfel 2024 mit dem „Pakt für die Zukunft“, interministerielle Transformationsteams der Bundesregierung, die (Weiter-)Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategien in den Bundesländern und eine „dynamische Entwicklung auf der kommunalen Ebene“. Immer mehr Städte und Regionen berichten auf der globalen Ebene über die SDG-Umsetzung und nutzen kommunale Nachhaltigkeitsindikatoren. Sein abschließendes Plädoyer richtete sich auf die Aufgabe, den Bundeshaushalt und die Landeshaushalte SDG-konform zu machen und auch auf lokaler Ebene sind Pilotprojekte für kommunale Nachhaltigkeitshaushalte wegweisend.
• Aus der kommunalen Praxis - Oliver Voigt (Bürgermeister Bad Köstritz)
Bürgermeister Oliver Voigt zeigte das Engagement der Thüringer Kleinstadt Bad Köstritz auf. Dieses basiert auf dem Handlungsprogramm der im Jahr 2019 erarbeiteten Bad Köstritzer Nachhaltigkeitsstrategie einschließlich deren Aktualisierung und Anpassung an neue Erfordernisse (unterstützt von Zukunftsfähiges Thüringen e.V.).
Bad Köstritz zeigt ein beeindruckendes und gut miteinander verknüpftes Engagement in mehreren Bereichen der Kommunalen Entwicklungspolitik. Insbesondere die in kurzer Zeit erreichte Qualität und Intensität der Städtepartnerschaft mit der mexikanischen Stadt Huamantla ist hervorzuheben. Diese vorbildliche Arbeit wurde mit der Verleihung des ersten Preises im Wettbewerb „Kommune bewegt Welt“ 2024 in der Kategorie „Kleine Kommunen“ gewürdigt von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global. Bad Köstritz war im Juli beim diesjährigen High Level Political Forum der UN in New York auf Einladung des BMZ vertreten. Hintergrund und Voraussetzung für die Teilnahme war die Freiwillige Lokale Berichterstattung (Voluntary Local Review) von Bad Köstritz zur Umsetzung der Agenda 2030.
• Prozess der Fortschreibung und aktueller Stand - Julia Jonas (IFOK GmbH)
Bis zum Herbst 2025 soll eine neue Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet werden, die auf der ersten Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie aus 2011 und deren Fortschreibung im Jahr 2018 aufbaut und diese weiterentwickelt. Der Prozess der Fortschreibung wird von der IFOK GmbH begleitet. Beteiligte Gremien zur institutionellen Verankerung sind die Staatssekretärsarbeitsgruppe "Nachhaltige Entwicklung" (STS-AG "NE" – Vorsitz TMUEN), die Interministerielle Arbeitsgruppe "Nachhaltige Entwicklung" (IMAG-NE – Vorsitz TMUEN) sowie der Thüringer Nachhaltigkeitsbeirat. Das Thüringer Nachhaltigkeitsforum als jährliche Plattformveranstaltung diente als Auftakt für die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie. Ein weiterer Meilenstein ist die Online-Beteiligung, welche für März / April 2025 terminiert ist. Ein breit angelegter Beteiligungsprozesses soll zur Identifikation mit den Zielen und Maßnahmen beitragen. Zudem soll über konkrete Inhalte Verbindlichkeit geschaffen werden.
Workshops
Es folgten - als Kernstück der Tagung - fünf Fachworkshops:
- Bildung, Kultur und lebenslanges Lernen
- Gesellschaftlicher Zusammenhalt und ländliche Räume
- Energie, Mobilität, Klimaschutz und nachhaltiges Bauen
- Nachhaltige Ernährung und Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Biodiversität und Naturschutz
- Nachhaltiges Wirtschaften, Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft, nachhaltiger Konsum und Tourismus
Das TNF 2024 wollte in den gemeinsamen Arbeitsphasen von den Teilnehmenden erfahren: Welche Aspekte, klare Zielstellungen und messbare Maßnahmen sind besonders wichtig und sollten in der neuen Strategie verankert werden.
Fazit aus den Workshops
Die Ergebnisse aus den einzelnen Workshops wurden den Teilnehmenden in kompakter Form im Plenum durch die Moderator:innen präsentiert. Fazit über alle Teilthemen hinweg ist, dass eine nachhaltige und zukunftsorientierte Gestaltung Thüringens eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe ist. Die strukturierte und kontinuierliche Zusammenarbeit in Netzwerken wird als besonders wichtig erachtet. Für die Verständigung auf die Ziele und Maßnahmen in einem partizipativen Prozess sollten weitere Veranstaltungen - Regionalkonferenzen - folgen. Nachhaltigkeit ist als Querschnittthema ressortübergreifend zu bearbeiten. Die Kommunale Handlungsebene ist zu stärken.
Podiumsdiskussion
Zum Abschluss des Forums wurden diese Blitzlichter diskutiert unter dem Motto „Nachhaltige Entwicklung in Thüringen“ mit Beate Seidel, Sprecherin des Thüringer Nachhaltigkeitsbeirats und mit Vertreter:innen des Thüringer Landtags:
- Claudia Heber - MdL, Fraktion CDU
- Tilo Kummer - MdL, Parlamentarischer GF Fraktion BSW
- Christian Schaft - MdL, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE
(v.l. Claudia Heber, Tilo Kummer, Beate Seidel, Christian Schaft)
Beim Austausch mit den Landtagsabgeordneten wurde die Wichtigkeit und die Bedeutung gewürdigt, dass sich die Zivilgesellschaft aktiv in diesen Prozess einbringt.
Interessant war die Information, dass in den Verhandlungen der potenziellen Koalition das Instrument des parlamentarischen Beirats zur nachhaltigen Entwicklung wieder diskutiert werden soll. Von der Fraktion Die Linke, wurde angekündigt, dass sie im Parlament eine Enquetekommission zu den neuen Verfassungszielen, darunter auch Nachhaltigkeit, vorschlagen will und dafür dann die Unterstützung des Bündnisses Verfassungsreform benötigt. Beate Seidel nahm diesen Ball auf und sagte, dass der Beirat in diesem Rahmen seiner Rolle, die Nachhaltigkeitsziele mit Emotionen und gelebten Beispielen in die Gesellschaft hineinzutragen, gerecht werden wolle.
Das Thüringer Nachhaltigkeitsforum wird jährlich veranstaltet vom Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz sowie vom Thüringer Nachhaltigkeitsbeirat. Es wird organisiert und durchgeführt vom Verein Zukunftsfähiges Thüringen mit dem Nachhaltigkeitszentrum Thüringen (NHZ).
Bildergalerie: nhz-th.de/fachforen.html
Fotos: Maria Klärner
Weitere Infos:
umwelt.thueringen.de
nachhaltigkeitsbeirat-thueringen.de