Fair gehandelt – fair behandelt
Thüringen und die Fairtrade-Bewegung
Wir kennen es vor allem von Kaffee und Schokolade: das Fairtrade-Siegel. Was aber hat das Ganze zu tun mit der Gemeinde Bad Tabarz oder der Stadt Nordhausen? Was mit uns?
Es gibt mittlerweile verschiedene Siegel für fairen Handel, eines davon ist das Fairtrade-Siegel. Dahinter steckt ein Zertifizierungsprozess, der garantiert, dass Erzeuger und Händler bestimmte soziale, ökologische und ökonomische Kriterien einhalten. Die wichtigsten sind menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Entlohnung sowie, dass keine Kinderarbeit stattfindet und dass die Natur nicht ausgebeutet oder verschmutzt wird.
Denn genau daran kranken unsere Welt und der Welthandel: dass es immer darum geht, so kostengünstig wie möglich zu produzieren, zu kaufen und verkaufen. Geiz ist geil – wir alle kennen die Kampagnen. Dabei geht es leider nicht darum, die begrenzten Ressourcen auf unserer Erde zu schonen, sondern darum, den Gewinn zu maximieren. Es geht auch nicht um die Menschen, die unter unwürdigen und oft krank machenden Bedingungen arbeiten und leben müssen, nur damit andere Menschen so viel kaufen können, wie sie wollen (unabhängig davon, ob sie es brauchen). Es gibt ein Wohlstandsgefälle von den westlichen Industrienationen zu den südlichen und östlichen, oft agrarisch geprägten Ländern. Es gibt ein Wohlstandsgefälle aber auch innerhalb der westlichen Länder. D.h es gibt überall auf der Welt unfairen Handel, weil der Preisdruck durch Finanzmärkte und Handelsmonopole zu massiv ist und weil Viele der Geizistgeil-Mentalität (Werbung spielt hier eine unsägliche Rolle) anheimgefallen sind.
Bildungsveranstaltung „Wo der Pfeffer wächst“ in Nordhausen © Stadt Nordhausen
Das wollen verschiedenste Menschen mit verschiedensten fairen Initiativen verändern. Ihnen geht es um die Bewusstwerdung der globalen Zusammenhänge und unserer gemeinsamen Verantwortung dafür. Denn wir leben alle in dieser Einen Welt: die Kaffeebäuerinnen aus Ruanda, die Schokoladenkooperativen in Peru, die Baumwollpflücker in Äthiopien, die Näherinnen in Indien – aber auch die Milch- oder Obstbauern oder Ölmüllerinnen in Thüringen. Wir alle sind durch unüberschaubare Warenströme miteinander verbunden, wir alle haben nur diesen Planeten mit seinen begrenzten und zu schützenden natürlichen Ressourcen, wir alle haben die gleichen Menschenrechte, wir alle können nur in Frieden miteinander leben. Dass unser Reichtum im globalen Norden nicht auf der Armut im globalen Süden beruht - darum geht es unter anderem beim fairen Handel.
Das Fairtrade-Siegel beispielsweise wird von TransFair – Verein zur Förderung des fairen Handels in der Einen Welt verliehen. Der Verein zeichnet auch Städte und Gemeinden als „Fairtrade-Town“ aus. Die Kriterien sind streng. So muss eine Kommune u.a. einen Stadtratsbeschluss dazu fassen. Sie muss eine Steuerungsgruppe ins Leben rufen und eine bestimmte Anzahl lokaler Läden und Gaststätten überzeugen, mindestens zwei fair gehandelte Produkte anzubieten. Fair gehandelter Kaffee im Rathaus versteht sich da wie von selbst.
Thüringer Fairtrade-Towns
Die erste ostdeutsche Fairtrade-Town liegt in Thüringen. Es handelt sich um Nordhausen, das im Jahr 2010 mit dem Titel ausgezeichnet wurde (als deutschlandweit 17. Town). Nordhausen – siehe unser BLOG-Eintrag vom 2. September 2020 – ist in vielen Nachhaltigkeits-Fragen Vorreiter in unserem kleinen Bundesland. Hier wurden sogar von der Stadt Modenschauen organisiert mit fair gehandelter Berufs- und Alltagsbekleidung.
Fachtag „Faire und nachhaltige Beschaffung“ in Thüringen 2016 © Stadt Nordhausen
Stand heute (Juni 2021) sind 10 Thüringer Kommunen und 1 Landkreis Fairtrade-Towns, und zwar (in der Reihenfolge der Auszeichnung):
Stadt Nordhausen
LK Nordhausen
Jena
Eisenach
Erfurt hat gerade für zwei weitere Jahre den Titel erneuert - Gratulation!
Suhl
Schmalkalden
Gotha
Ilmenau
Bad Tabarz
Weimar
Gotha wurde 2017 als 500. Stadt in Deutschland zur Fairtrade-Town gekürt © NHZ
Zur Zeit bewerben sich Saalfeld/Saale, Bad Köstritz und Sondershausen um den Titel Fairtrade-Town. Damit wäre Thüringen das ostdeutsche Bundesland mit den meisten Fairtrade-Towns!
Insgesamt aber muss festgestellt werden – siehe Städtekarte und Städteverzeichnis – dass da noch ganz viel mehr möglich ist. Fairtrade-Towns ballen sich vor allem im Westen, Südwesten und Süden Deutschlands.
Zum Beispiel Bad Tabarz
Auch das idyllische Städtchen Bad Tabarz gehört seit 2019 dazu. Das hiesige Netzwerk ist lebendig, das Engagement groß: die Stadt, Vereine, Einzelpersonen sind dabei. Auffällig ist, dass auch Restaurants und Hotels in Bad Tabarz sehr aktiv sind. In ihren Aktivitäten zielen sie nicht nur auf den globalen Handel, sondern auch auf den lokalen und regionalen. Denn auch in Deutschland gilt es, Betriebe, die sozial und ökologisch sinnvoll agieren, fair zu behandeln.
Pfarrer Kai-Philipp Kunze dazu: „Fairer Handel sollte eigentlich nicht die Ausnahme sondern die Regel sein! Jeder Mensch soll von seiner Arbeit menschenwürdig leben können. Das geht nur mit gerechten Preisen und gerechten Arbeitsbedingungen – nicht nur bei uns in Deutschland sondern auf der ganzen Welt.“
Pfarrer Kunze vor dem Fairtrade-Siegel © Franziska Ziebarth
Zum Beispiel Bad Köstritz
Die Dahlienstadt Bad Köstritz bemüht sich um den Titel als Fairtrade-Town. Im Kern geht es dabei um die Städtepartnerschaft zum mexikanischen Huamantla, wo ebenfalls Dahlien gezüchtet, beforscht und in großem Maßstab angebaut werden. Die Partnerschaft entstand im Rahmen der ersten Phase des Projektes "Global Nachhaltige Kommune Thüringen (GNKT)". Regelmäßig findet – derzeit leider nur digital - ein Fachaustausch zwischen den Vertretern beider Städte statt. Es geht um fairen Anbau, um Pestizid-Vermeidung aber auch darum, dass mehr als 40 Dahlien-Sorten vom Aussterben bedroht sind. In Corona-Zeiten hat Bad Köstritz darüber hinaus seiner Partnerstadt, mit Unterstützung der Engagement Global gGmbH, finanzielle Hilfe zukommen lassen, u.a. für die Beschaffung von Beatmungsgeräten. In die Städtepartnerschaft sind Bürgermeister und Mitarbeiter*innen der Kommunen integriert aber auch Partner aus der Zivilgesellschaft.
In eigener Sache
Seit 2012 ist der Arbeitskreis „Faire und nachhaltige Beschaffung“ in Thüringen aktiv. Unser Träger-Verein Zukunftsfähiges Thüringen e.V. führte 2016 bis Ende 2019 ein Projekt für faire kommunale Beschaffung in Thüringen durch, um das Bewusstsein vor allem der öffentlichen Verwaltung zu schärfen (denn sie ist ein wichtiger, großer „Einkäufer“). Finanziert wurde das ebenfalls durch die Engagement Global gGmbH. Zukunftsfähiges Thüringen e.V. bemüht sich derzeit um eine Neuauflage.
Flyer des Projektes „Thüringer Beschaffungsallianz – fair und nachhaltig“, © NHZ/ Bildschirmfoto
Wir als Nachhaltigkeitszentrum Thüringen (NHZ) setzen uns u.a. für die Vernetzung der Fairtrade-Kommunen ein. Gemeinsam mit dem Weltladen-Dachverband und dem Eine Welt Netzwerk Thüringen e.V. veranstalten wir einmal im Jahr die sogenannte FairNetzt-Tagung in Thüringen.
Faire Woche vom 10. bis 24.09.2021 zum Thema "Menschenwürdige Arbeitsbedingungen"
www.fairtrade-towns.de
www.bad-tabarz.de
www.stadtbadkoestritz.de
www.global-nachhaltige-kommune-thueringen.de
www.nachhaltige-beschaffung-thueringen.de
FairNetzt im Arbeitskreis "Agenda 2030 und Kommune" des NHZ